Die EU-Richtlinien und die Eigentümerstationen

oder

Die verflixten 5 Jahre des Wettbewerbsverbotes

Viele Tankstellenbetreiber werden schon davon gehört haben: 2010 gab es eine renovierte „Schirm-Gruppenfreistellungsverordnung“ der EU, die zulässige Wettbewerbsverbote in Vertriebsbindungen in bestimmten Fällen auf maximal 5 Jahre begrenzte (GVO 330/2010)

Reine Pächter-Stationen können sich das Weiterlesen vielleicht sparen, weil diese GVO nur einen Vertrag über einen Standort und eine festgelegte Laufzeit der Nutzung inklusive eines Vertriebs betrifft. Also die Situation der Eigentümerstation, die möglichst über 10-20 Jahre von den Mineralölgesellschaften angepachtet wird und bei der gleich der Eigentümer auch auf Provisionsbasis den Verkauf des Treibstoffs erledigt. So war es zumindest vor 2010 noch gang und gäbe.

Nach der Präambel der GVO 330/2010 sollte dies jedoch zukünftig nicht mehr so lange sein. Es heißt dort wörtlich in Ziffer 10, dass insbesondere vertikale Vereinbarungen, die bestimmte Arten schwerwiegender Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, wie die Festsetzung von Mindest- oder Festpreisen für den Weiterverkauf oder bestimmte Arten des Gebietsschutzes, daher ohne Rücksicht auf den Marktanteil der beteiligten Unternehmen von dem mit dieser Verordnung gewährten Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen werden sollten.

Ein solcher kombinierter Vertrag sollte nur noch für maximal 5 Jahre den Vertragspartner (Eigentümer) mit dem Verbot belegen dürfen, dort keine mit dem Treib- oder Schmierstoff des anderen Vertragspartners (Mineralölgesellschaft oder -händler) in Wettbewerbs stehende Ware verkaufen zu dürfen. Nach 5 Jahren müsse das Verbot nach dieser GVO-Regelung enden.

Da diese Richtlinie auch in das deutsche Kartellrecht übernommen wird, ist auch in Deutschland zu prüfen, ob dieses Verbot hier gilt.

Manche Mineralölgesellschaften haben sich von dieser Regelung ab 2010 betroffen gesehen und einen Nachtrag für bestehende Verträge vorgenommen, wonach dieses Wettbewerbsverbot nun nur noch 5 Jahre gelten solle. Diese Verträge sind dann regelmäßig zwischen 2015 und 2016 abgelaufen.

An dieser Stelle beginnt nun der schwer verständliche Teil der Ausführung: Wenn der Eigentümer nun seit 2016 nicht mehr verpflichtet ist, ausschließlich die Produkte des Vertragspartners zu verkaufen, wie kann er dann von dieser Freiheit Gebrauch machen? Eigentlich doch nur, wenn dann der ganze Vertrag sein Ende findet, er mit dem alten Vertragspartner eine Fortsetzung vereinbart oder er sich einen neuen Partner sucht. Das geht dann auch wieder nur für 5 Jahre und so geht das dann immer weiter.

Diese Meinung muss man vertreten, wenn man den Wortlaut des Artikels 5 der GVO 330/2010 verinnerlicht. Danach sind „unmittelbare oder mittelbare Wettbewerbsverbote, die für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als fünf Jahren vereinbart werden nicht freigestellt und damit von der EU-Richtlinie nicht zur Verwendung erlaubt.

Doch sehen die Mineralölgesellschaften (MÖG) dies plötzlich anders, nachdem diese Auswirkungen nun tatsächlich für sie spürbar werden. Es wird dann von dort dagegen argumentiert, das Wettbewerbsverbot gelte zwar nun nicht mehr, aber der restliche Vertrag durchaus weiter. Danach sei der Vertragspartner verpflichtet, weiter für die Gesellschaft an dem Standort bis zur Restlaufzeit deren Ware zu verkaufen. Das müsse er. Wie er andere Waren verkaufe, sei der Gesellschaft egal. Er dürfe aber keinesfalls deren Markenrechte verletzten, und es gäbe auch keine Rückgabe der Grunddienstbarkeit. Es bleibt dann alles beim Alten. Diese Argumentation habe ich nicht nur von einer Mineralölgesellschaft gelesen.

In den Fällen, die in meiner Kanzlei zurzeit betreut werden und bei denen es keine andere Lösung gab, wurde die MÖG dann von mir aufgefordert, die Tanktechnik gegen ein angemessenen Gegenleistung zu verkaufen oder Rechte der Nutzung zu übertragen und für eine Flexibilität bei der Ausflaggung zu sorgen, damit auch andere Treibstoffe verkauft werden könnten. Diese unausweichliche Aufforderung führt jedoch dazu, die groteske Situation noch deutlicher zu machen, wonach man den restlichen Vertrag eben nicht einfach so weiterlaufen lassen kann, ohne das Verbot damit unzulässig zu umgehen.

Eine MÖG meinte dazu, sie müsse keinem Wettbewerber helfen und verweigerte jedes Entgegenkommen zur Problemlösung.

Nun sind 3 Verfahren bei den Kammern der örtlich zuständigen Landesgerichte an verschiedenen Orten im Bundesgebiet anhängig, um diese Rechtsauffassungen der MÖG überprüfen zu lassen.

Aus diesseitiger Sicht ist deren Betrachtung der Rechtslage mit einem Szenario vergleichbar, bei dem eine Käfighaltung verboten wird, das Tier stattdessen jedoch einfach an eine zu kurze Leine gelegt wird. Damit hat es jedoch immer noch keine tatsächliche Bewegungsfreiheit, auch wenn der Käfig formal weg ist.

Die Verfahren stehen noch ganz am Anfang, aber der Ausgang der Verfahren wird für alle Beteiligten interessant. Der Laie wird sich jedoch sicher über die eigenartige Argumentation der MÖG wundern. Und wohl nicht nur der!

Nürnberg, den 19.10.2016